Schlafparalysen zeichnen sich durch das Zusammentreffen klaren Denkens und dem Gefühl eines gelähmten Körpers aus. Diese ungewohnte Erfahrung bereitet dabei vielen Leuten Gefühle von Panik und Grusel – obwohl Schlafparalysen eigentlich gar nicht gefährlich sind.
D er Geist wacht auf, der Körper schläft weiter: Ungefähr vierzig Prozent der Bevölkerung befinden sich mindestens einmal im Leben in diesem ungewöhnlichen Zustand (Schütze, 2022). Bei diesem Zustand handelt es sich um die Schlafparalyse; einer Schlafstörung, bei welcher kurzzeitig die willentliche Kontrolle über die Skelettmuskulatur inhibiert wird, ein Prozess, welcher auch Schlafatonie genannt wird (Denis et al., 2018).
«Ich war orientiert, konnte Stimmen hören. Geistig war ich wach, ich wusste genau, wo ich bin. Aber ich konnte mich halt nicht bewegen.»
Dieser Prozess geschieht im Übergang zwischen Rapid Eye Movement (REM)-Phasen zu anderen Schlafphasen aufgrund verlangsamter Umschaltung von Prozessen und findet am Anfang des Schlafes hypnagogisch oder hypnopompisch kurz vor dem Aufwachen statt (Sharpless & Barber, 2011; Schütze, 2022).
Obwohl das Gefühl plötzlich gelähmt zu sein bei den Betroffenen bereits unbehagliche Gedanken auslöst, sind es meist die lebhaften Halluzinationen von Menschen oder supernatürlichen Gestalten, welche den beängstigenden Charakter der Schlafparalyse kennzeichnen und für die hohe Intensität der erlebten Furcht in Relation zu Furcht bei normalem Träumen ursächlich sind (Denis et al., 2018). Die Lebhaftigkeit der Halluzinationen wird dabei oft durch die intakte okulare Muskulatur sowie das Liegen in Rückenlage begünstigt. Dies, da die Betroffenen die unheimlichen Gestalten, welche Produkt des generell unheimlichen Gefühls während des Schein-gelähmt-seins und des Mitnehmens von Gestalten aus Träumen während des REM-Schlafs sind, so tatsächlich sehen können (Sharpless & Barber, 2011; Schütze, 2022). Für Betroffene fühlt sich das Erleben von Atonie und Halluzinationen quälend lange an – laut Forschung halten Schlafparalysen jedoch nur wenige Sekunden bis einige Minuten an (Schütze, 2022).
Verbindung zu anderen REM-Schlaf-Phänomenen
Neben Schlafparalysen werden auch andere Phänomene wie luzide Träume, ausserkörperliche Erfahrungen und False Awakening mit REM-Schlaf assoziiert (Raduga et al., 2020). Daher ist es nicht überraschend, dass Betroffene eines dieser Phänomene oft auch mit einem anderen dieser Phänomene Erfahrungen machen (Raduga et al., 2020). Bekannt ist, dass die meisten mindestens ein REM-Schlaf-Phänomen über die Lebensspanne erleben (Raduga et al., 2020).
Was löst diesen Zustand aus?
Wie bereits erwähnt, gehen Wissenschaftler davon aus, dass sich Schlafparalysen aus dem Übergang von REM-Phasen in andere Schlafphasen entwickeln; genaue Ursachen des Phänomens sind jedoch unbekannt (Denis et al., 2018). Einzig Faktoren, welche mit Schlafparalysen assoziiert sind, konnten bisher identifiziert werden. Als Schlafstörung werden Schlafparalysen oft mit Narkolepsie – eine Störung, welche sich durch Schlaf-Wach-Dysregulation auszeichnet – in Verbindung gebracht und gelten als Symptom dieser Erkrankung (Denis et al., 2018; Pramsohler, 2020). Tritt Schlafparalyse ohne die Diagnose der Narkolepsie auf, spricht man von isolierter Schlafparalyse. Wiederholtes Auftreten solcher Episoden bezeichnet man als wiederkehrende isolierte Schlafparalyse (Denis et al., 2018). Auch andere Variablen bezüglich des Schlafes werden mit Schlafparalysen assoziiert: Eine tiefe subjektive Schlafqualität, Insomnie-Symptome, sowie das Erleben von Alpträumen erhöhen die Wahrscheinlichkeit, an Schlafparalysen zu leiden (Denis, 2018).
Des Weiteren konnte eine Beziehung zwischen psychischen Störungsbildern und Schlafparalysen hergestellt werden, wobei vor allem deren Koexistenz mit unspezifischen Angststörungen, Panikstörungen und Posttraumatischen Belastungsstörungen untersucht wurde (Sharpless & Barber, 2011; Wróbel-Knybel et al., 2022). Dabei zeigt die Frequenz von Schlafparalyse-Episoden eine signifikante Verbindung mit sexuellem Missbrauch während des Kindesalters – unabhängig davon, ob sich die Betroffenen an dieses traumatische Ereignis erinnern können (Denis et al., 2018). Neben pathologischer Angst und Traumata treten Schlafparalysen generell häufiger bei hohem selbstberichtetem Stress, einer hohen Anzahl erlebter traumatischer Ereignisse und Professionen mit hohem Stressniveau auf (Denis et al., 2018; Wróbel-Knybel et al., 2022).
Während die Schlafparalyse laut heutigem Forschungsstand auf kein spezifisches Gen zurückgeführt werden kann, wird ihr eine moderate Vererbbarkeit zugeschrieben (Denis et al., 2018). Demografische Variablen wie Geschlecht und Alter weisen in den meisten Studien keine signifikante Beziehung zur Schlafparalyse auf, was die Ethnizität angeht, sind die Befunde gemischt. Interessant ist, dass nicht-kaukasische Individuen in mehreren Studien höhere Inzidenzraten aufweisen, wobei diese höhere Ausprägungen von Furcht beinhalten (Denis et al., 2018; Sharpless & Barber, 2011).
Potentielle Behandlungsmöglichkeiten
Wie im letzten Abschnitt erläutert, handelt es sich bei Schlafparalysen um ein komplexes Phänomen, welches multifaktoriell beeinflusst wird und nicht auf eine einzige Ursache zurückzuführen ist. Dies und die Tatsache, dass die Schlafparalyse in Kliniken nicht routinemässig diagnostiziert und behandelt wird, trägt dazu bei, dass sich bisher wenige Behandlungsmöglichkeiten finden liessen (Sharpless, 2016).
Eine dieser Möglichkeiten nennt sich Meditation-Relaxation-Therapie (MR-Therapie). Die MR-Therapie unterteilt sich in vier Phasen, welche während der Schlafparalyse durchgeführt werden: Als Erstes wird die Schlafparalysen-Episode neu bewertet, anschliessend distanziert sich der*die Betroffene emotional und psychisch davon. Als dritter Schritt folgt eine Meditation mit Fokus nach innen, und schlussendlich werden Muskelrelaxations-Techniken durchgeführt (Jalal et al., 2020). Um das Anwenden dieser Methode bei tatsächlichem Eintreten einer Schlafparalyse zu vereinfachen, wird empfohlen, sie regelmässig in Absenz einer Schlafparalyse in Rückenlage zu üben (Jalal, 2016). Meditation wird Betroffenen auch isoliert empfohlen, da dies die Dauer des Deltaschlafes, und somit die Schlafqualität, erhöht und die Wahrscheinlichkeit einer Schlafparalyse verringert, wodurch die Therapie gesamthaft effektiver wird (Jalal, 2016). Eine Pilotstudie der MR-Therapie konnte was die Anzahl von Episoden und Tagen betrifft, an denen die Schlafparalyse auftrat, im Vergleich zur Kontrollgruppe eine Abnahme von 50 Prozent verzeichnen (Jalal et al., 2020). Des Weiteren berichteten Patient*innen in der Testgruppe von einer Verminderung der Unruhe während Halluzinationen (Jalal et al., 2020). Die Resultate dieser Studie suggerieren, dass MR-Therapie eine geeignete Behandlungsoption für Schlafparalysen darstellt. Um deren klinischen Nutzen vollständig zu erheben, ist es jedoch nötig, mehrere randomisierte Experimente diesbezüglich durchzuführen (Jalal et al., 2020).
Wie Kultur dazu beiträgt
In vielen Fällen stehen die halluzinierten Gestalten in direkter Verbindung mit der Folklore der Kultur der Betroffenen (Denis et al., 2018). Aus diesem Grund ergaben sich über die Zeit eine Vielzahl von alternativen Erklärungen für die Schlafparalyse: von Hexerei in europäischen Gesellschaften über Angriffe von Schamanen oder bösartigen Geistern bei den Inuit bis zu Gedanken an die Entführung durch Ausserirdische (Davies, 2003; Law & Kirmayer, 2005; Denis et al., 2018).
Eine andere Behandlungsmöglichkeit bietet die Neuropharmakologie, wobei der Serotonin-5-HT2A-Rezeptor im Fokus liegt (Jalal, 2018). Dieser Serotoninrezeptor spielt eine zentrale Rolle bei der Vermittlung von visuellen Halluzinationen und der Verarbeitung von visuellen Reizen allgemein, und ist in grosser Anzahl im visuellen Kortex vorhanden (Jalal, 2018). Auch in Gebieten, welche mit dem Erleben von Furcht im Zusammenhang mit mystischen Erfahrungen und der Tendenz, bedeutungslose Reize als persönlich wichtig zu interpretieren, assoziiert sind, finden sich viele 5-HT2A-Rezeptoren (Jalal, 2018). Dadurch ergibt sich die Hypothese, dass die Aktivierung von 5-HT2A-Rezeptoren die Halluzinationen bei Schlafparalysen verursachen (Jalal, 2018). Laut dieser Hypothese kommt als Behandlungsmöglichkeit von Schlafparalyse-induzierten Halluzinationen der inverse 5-HA2A Agonist «Primavanserin» (auch als Nuplazid bekannt) in Frage, welcher bisher vor allem zur Behandlung von Halluzinationen bei Parkinson-Patient*innen zum Einsatz kam (Jalal, 2018). Jedoch ist es auch hier nötig, das Medikament zuerst in sicheren Konditionen mehrmals zu testen, bevor dessen Effektivität zur Behandlung von Schlafparalysen abschliessend geklärt werden kann.