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Psychotherapie neu gedacht

Mit digitalen Tools Versorgungslücken schliessen
Bilder: Antonio Llanque Romero

Psychische Erkrankungen sind in der Schweiz eine der häufigsten Ursachen für Arbeitsunfähigkeit – und der Mangel an Therapieplätzen verschärft das Problem. Blended Psychotherapie, die persönliche Sitzungen mit digitalen Modulen kombiniert, zeigt in Studien nicht nur hohe Wirksamkeit, sondern auch ökonomische Vorteile. Erste Projekte wie ylah® verdeutlichen, wie digitale Unterstützung Therapieprozesse flexibler, effizienter und alltagsnäher machen kann. Damit rückt eine moderne, hybride Versorgung näher, die Versorgungslücken schliesst und Patient*innen wie Fachpersonen gleichermassen entlasten könnte.

Über die Autorin

Florance von Guten ist Psychologin MSc, Gründerin und Geschäftsführerin der YLAH AG

P sychische Erkrankungen gehören schweizweit zu den Hauptursachen für Krankheit und Arbeitsunfähigkeit (Schuler et al. 2024). Gleichzeitig ist der Zugang zu psychotherapeutischer Versorgung vielerorts begrenzt. In der Schweiz warten Menschen mit psychischen Beschwerden oft Wochen oder Monate auf einen Therapieplatz. Diese Wartezeit bleibt nicht folgenlos: Symptome können sich verschlechtern, Chronifizierungen drohen, das private und berufliche Leben leidet (Catarino et al. 2023). Gleichzeitig schreitet die Digitalisierung im Gesundheitswesen voran. Während Telemedizin und digitale Tools in vielen Bereichen selbstverständlich geworden sind, tun sich psychotherapeutische Angebote teilweise noch schwer, das Potenzial digitaler Unterstützung zu nutzen. Genau hier setzt blended Psychotherapie an: Sie verbindet das Beste aus zwei Welten – persönliche Beziehung und digitale Unterstützung

Blended Psychotherapie: Definition und wissenschaftlicher Hintergrund

Blended Psychotherapie (bPT) bezeichnet die gezielte Integration digitaler Interventionen in klassische psychotherapeutische Settings. Anders als reine Online-Programme oder Well-being-Angebote, bleibt die Beziehung zur Therapeutin oder zum Therapeuten zentral. Digitale Tools werden dort eingesetzt, wo sie strukturierend, ergänzend oder aktivierend wirken können.

Metaanalysen zeigen, dass internet- und mobilbasierte Interventionen, wenn sie von Fachpersonen begleitet werden, vergleichbare Resultate erzielen wie persönliche Sitzungen vor Ort (Carlbring et al., 2018; Hedman-Lagerlöf et al., 2023). Richtig eingesetzt, können digitale Module den therapeutischen Prozess sogar spürbar bereichern, beispielsweise, indem sie die Selbstwirksamkeit stärken. Einige Studien zeigen, dass bPT wirksamer sein kann als konventionelle Psychotherapie (Berger et al., 2018; Zwerenz et al., 2017) und im Einsatz nach Psychotherapien auch Rückfallraten reduziert werden können (Holländare et al., 2013). Zudem unterstützen sie den Alltagstransfer, indem sie therapiebegleitend an zentrale Inhalte erinnern und so dem raschen Vergessen entgegenwirken, das selbst bei persönlich bedeutsamen Erfahrungen beobachtet wird (Meeter et al. 2005).

Auch ökonomisch gibt es gute Argumente. Studien belegen, dass durch den gezielten Einsatz digitaler Elemente weniger Therapiesitzungen notwendig sein können, ohne Einbussen bei der Wirksamkeit (Thase et al. 2018; Mathiasen et al. 2022; Kalde et al. 2024). Das entlastet sowohl Fachpersonen als auch Patientinnen und Patienten und eröffnet langfristig Chancen zur Effizienzsteigerung im Gesundheitssystem. Voraussetzung dafür ist eine durchdachte Integration: technisch, methodisch und menschlich.

Blended Psychotherapie in der Schweiz: Erste Schritte, viel Potenzial

Während internationale Vorreiterländer wie die Niederlande und Deutschland längst Rahmenbedingungen für digitale Gesundheitsanwendungen geschaffen haben, etwa mit digitalen Gesundheitsanwendungen auf Rezept (DiGA), steckt die Schweiz noch in der Aufbauphase. Erste Pilotprojekte in Kliniken und Praxen zeigen jedoch: Der Mehrwert von blended Psychotherapie wird erkannt und genutzt.

So berichten psychiatrische Einrichtungen in der Schweiz von positiven Erfahrungen, etwa flexibleren Behandlungsmöglichkeiten, effizienteren Abläufen und einer spürbar besseren Kontinuität der Versorgung (Best et al., 2022). Gleichzeitig bestehen noch Herausforderungen, insbesondere in Bezug auf Finanzierung, Schulung und organisatorische Umsetzung. Viele Fachpersonen wünschen sich klare Empfehlungen, passende Tools und einen niederschwelligen Einstieg. Das Interesse ist da, nun braucht es gezielte Unterstützung für die Umsetzung.

«ylah®: Sich auf eine neue Art der Therapie einlassen.»

ylah®: Ein Schweizer Hersteller für Blended Psychotherapie

Der Name ylah® stammt aus dem Berndeutschen und bedeutet: «sich einlassen». Und genau darum geht es in der Psychotherapie, sich auf den Prozess einlassen, hinschauen, dranbleiben. Nur so kann echte Veränderung geschehen.

ylah® wurde in der Schweiz als Spin-off der Universität Bern entwickelt, gemeinsam mit Prof. Dr. Thomas Berger und einem interdisziplinären Team aus Psycholog*innen, Softwareentwickler*innen und Kliniker*innen. Die App ist als Medizinprodukt zugelassen und unterstützt heute bereits zahlreiche Fachpersonen in Einzel- und Gruppenpraxen sowie ambulanten und stationären Einrichtungen. Eingesetzt wird sie zur Behandlung von Depressionen, Angst- und Suchterkrankungen. Das Ziel: psychotherapeutische Versorgung gezielt zu strukturieren, zu ergänzen und zu vertiefen, ohne die Beziehung zur Therapeutin oder zum Therapeuten zu ersetzen.

ylah® bietet digitale Werkzeuge, die persönliche Begleitung wirksamer machen. Die Plattform verbindet ein intuitives Webinterface für Therapeut*innen mit einer mobilen App für Patient*innen und wirkt so als verlängerter Arm der Therapie.

Mit über 70 Übungen zur Psychoedukation und Selbsthilfe, Reflexionsjournalen für den Alltag und systematischen Fragebögen zur Verlaufsbeobachtung unterstützt ylah® eine moderne, strukturierte Psychotherapie. Ergänzt wird das System durch Module zur Behandlungs- und Sicherheitsplanung, Sitzungsorganisation, Dokumentation und Qualitätssicherung, individuell anpassbar und integriert in die Zusammenarbeit im therapeutischen Team.

Einsatz entlang des Therapieprozesses: Von der Wartezeit bis zur Nachsorge

Blended Psychotherapie ist kein starres Konzept, sondern ein flexibler Werkzeugkasten. Digitale Elemente lassen sich entlang des gesamten Therapieprozesses gezielt einsetzen:

In der Wartezeit bieten strukturierte Selbsthilfemodule erste Orientierung, lindern Symptome und stärken die Motivation. Während der aktiven Therapiephase vertiefen digitale Übungen, Tagebücher oder Psychoedukation die Inhalte zwischen den Sitzungen und helfen, die gemeinsame Zeit effizient zu nutzen. In der Nachsorge ermöglichen digitale Programme eine niederschwellige Begleitung, um Therapieerfolge langfristig zu festigen und Rückfällen vorzubeugen.

Die Voraussetzung für all das bleibt eine kluge Verzahnung von Technik und Beziehung: individuell angepasst an die jeweilige Behandlungssituation. ylah® setzt dabei auf eine enge Zusammenarbeit mit Kliniken und Therapeut*innen, mit Fokus auf einen reibungslosen Einstieg, praxisnahe Schulungen und erprobte Umsetzungskonzepte, die eine nachhaltige Integration in den therapeutischen Alltag unterstützen.

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Ausblick: Persönliche Therapie – digital begleitet. Das ist die Zukunft.

Blended Psychotherapie ist keine technische Spielerei. Sie ist eine Antwort auf reale Herausforderungen: lange Wartezeiten, Versorgungsengpässe, Fachkräftemangel. Sie erweitert bewährte therapeutische Prinzipien, ohne sie zu ersetzen und bietet die Chance, psychotherapeutische Versorgung effizienter, zugänglicher und nachhaltiger zu gestalten.

Mit Tools wie ylah® lassen sich bestehende Ressourcen besser nutzen. Die Rolle der Therapeutin bleibt zentral, wird aber durch digitale Begleitung gestärkt. So kann Therapie nicht nur wirksamer, sondern auch flexibler werden und mehr Menschen frühzeitig erreichen. Entscheidend bleibt dabei: Technologie ist kein Selbstzweck. Erst wenn sie sinnvoll eingebettet ist, in tragfähige Beziehungen, klare Prozesse und fundierte Konzepte, kann sie ihr volles Potenzial entfalten.

ylah® geht diesen Weg gemeinsam mit Kliniken, Praxen und Fachpersonen, Schritt für Schritt, praxisnah und mit Blick auf das Wesentliche: wirksame, menschliche Therapie. Für Psycholog*innen der FSP bieten wir dafür auch eine akkreditierte Fortbildung zur Vertiefung im Bereich der Blended Psychotherapie an. Jetzt gilt es, diese Zukunft aktiv zu gestalten, wissenschaftlich fundiert, gemeinsam mit der Praxis und im Sinne der Patient*innen.

Zum Weiterlesen

  • Andersson, G., & Berger, T. (2021). Internet approaches to psychotherapy: Empirical findings and future directions. In M. Barkham, W. Lutz, & L. G. Castonguay (Eds.), Bergin and Garfield’s handbook of psychotherapy and behavior change: 50th anniversary edition (7th ed., pp. 739–762). John Wiley & Sons, Inc.
  • Berger, T. B., Laura; Philipp Klein, Jan. (2024). Digitale Interventionen in der Psychotherapie. PPmP – Psychotherapie · Psychosomatik · Medizinische Psychologie, 74(09/10), 403–414. https://doi.org/10.1055/a-2018-2250

Referenzen

  • Berger, T., Krieger, T., Sude, K., Meyer, B., & Maercker, A. (2018). Evaluating an e-mental health program (“deprexis”) as adjunctive treatment tool in psychotherapy for depression: Results of a pragmatic randomized controlled trial. Journal of Affective Disorders, 227, 455–462. https://doi.org/10.1016/j.jad.2017.11.021
  • Best, M., Bielinski, L. L., & Berger, T. (2022). Implementierung digitaler Interventionen in psychiatrischen Kliniken der Schweiz: Aktueller Stand, Hindernisse und erleichternde Faktoren. Psychiatrie + Neurologie, 5, 9–12. https://doi.org/10.5167/uzh-223182 
  • Carlbring, P., Andersson, G., Cuijpers, P., Riper, H., & Hedman-Lagerlöf, E. (2018). Internet-based vs. face-to-face cognitive behavior therapy for psychiatric and somatic disorders: an updated systematic review and meta-analysis. Cognitive Behaviour Therapy, 47(1), 1–18. https://doi.org/10.1080/16506073.2017.1401115
  • Catarino, A., Harper, S., Malcolm, R., Stainthorpe, A., Warren, G., Margoum, M., ... & Welchman, A. E. (2023). Economic evaluation of 27,540 patients with mood and anxiety disorders and the importance of waiting time and clinical effectiveness in mental healthcare. Nature Mental Health, 1(9), 667-678.
  • Hedman-Lagerlöf, E., Carlbring, P., Svärdman, F., Riper, H., Cuijpers, P., & Andersson, G. (2023). Therapist-supported Internet-based cognitive behaviour therapy yields similar effects as face-to-face therapy for psychiatric and somatic disorders: an updated systematic review and meta-analysis. World Psychiatry, 22(2), 305–314. https://doi.org/10.1002/wps.21088
  • Holländare, F., Anthony, S. A., Randestad, M., Tillfors, M., Carlbring, P., Andersson, G., & Engström, I. (2013). Two-year outcome of internet-based relapse prevention for partially remitted depression. Behavior Research and Therapy, 51(11), 719–722. https://doi.org/10.1016/j.brat.2013.08.002
  • Kalde, J., Atik, E., Stricker, J. H., Schückes, M., Neudeck, P., Pittig, A., & Pietrowsky, R. (2024, September 23). Randomized controlled trial (RCT) to test the superiority of blended cognitive behavioral therapy (bCBT) over standard CBT for unipolar depression in adults. https://doi.org/10.31234/osf.io/v9rhx
  • Mathiasen, K., Andersen, T. E., Lichtenstein, M. B., Ehlers, L. H., Riper, H., Kleiboer, A., & Roessler, K. K. (2022). The Clinical Effectiveness of Blended Cognitive Behavioral Therapy Compared with Face-to-Face Cognitive Behavioral Therapy for Adult Depression: Randomized Controlled Noninferiority Trial. Journal of Medical Internet Research, 24(9), e36577. https://doi.org/10.2196/36577
  • Meeter, M., Murre, J. M., & Janssen, S. M. (2005). Remembering the news: Modeling retention data from a study with 14,000 participants. Memory & Cognition, 33(5), 793-810.
  • Schuler, D., Tuch, A., Sturny, I. & Peter, C. (2024). Psychische Gesundheit. Kennzahlen 2022 (Obsan Bulletin 11/2024). Neuchâtel: Schweizerisches Gesundheitsobservatorium.
  • Thase, M. E., Wright, J. H., Eells, T. D., Barrett, M. S., Wisniewski, S. R., Balasubramani, G. K., McCrone, P., & Brown, G. K. (2018). Improving the Efficiency of Psychotherapy for Depression: Computer-Assisted Versus Standard CBT. The American journal of psychiatry, 175(3), 242–250. https://doi.org/10.1176/appi.ajp.2017.17010089
  • Zwerenz, R., Becker, J., Knickenberg, R. J., Siepmann, M., Hagen, K., & Beutel, M. E. (2017). Online self-help as an add-on to inpatient psychotherapy: Efficacy of a new blended treatment approach. Psychotherapy and Psychosomatics, 86(6), 341–350. https://doi.org/10.1159/000481177