Magazin für Psychologie

Mitmachen
Forschung

Der rote Faden des Schicksals

Bestimmung, Fügung, Geschick, Karma, Kismet, Los, Prädestination – das Schicksal hat viele Namen
Bilder: Nicole Afonso

Schicksal – ein über Jahrhunderte existierendes Konzept, wogegen sich das menschliche Kontrollbedürfnis oft sträubt und das reale Auswirkungen auf unser Wohlbefinden und Verhalten hat.

D ie Idee des Schicksals ist in vielen Köpfen und Geschichten anzutreffen, wie auch im Mythos vom roten Faden des Schicksals. Nach dieser Sage aus der chinesischen Mythologie sind zwei Geliebte durch einen unsichtbaren roten Faden am Finger miteinander verbunden. Diese Geliebten sind vom Gott der Liebe, Yue Lao, dazu bestimmt, sich eines Tages zu begegnen und die «eine wahre Liebe» der jeweils anderen Person zu sein (Hamilton, 2022). Eine verkuppelnde Gottheit ist nicht nur in ostasiatischen Sagenkreisen anzutreffen. Auch in der römischen Mythologie präsentiert sich mit Amor ein Gott in der Rolle des schicksalhaften Liebesvermittlers mit Pfeil und Bogen. (Britannica, 2024).

Die Weltanschauung, nach der Lebensereignisse unveränderbar und vom Schicksal vorausbestimmt sind, wird Fatalismus genannt (Dorsch, 2016). Diese Weltanschauung entspringt der antiken Philosophie und wird definiert durch verallgemeinerte Überzeugungen und Erwartungen bezüglich Ereignissen und Konsequenzen im eigenen Leben (Toyama & Morris, 2024). Nach dieser Weltanschauung kann der Mensch durch seinen Willen nichts am eigenen Schicksal ändern. Alles, einschliesslich der Erfüllung von persönlichen Zielen, liegt ausserhalb der eigenen Kontrolle des Menschen (Toyama & Morris, 2024). Für einige mag das schwierig klingen, keine Kontrolle über eine Situation zu haben, da dies oft mit Hilflosigkeit, Unsicherheit und Abhängigkeit verbunden ist. Schliesslich wird der Wunsch nach Kontrolle und Orientierung auch als ein psychologisches Grundbedürfnis wahrgenommen (Grawe, 2004). Menschen wollen ihre Umwelt und die eigene Person zielbezogen beeinflussen können. Denn Kontrolle zu haben, zieht viele positive Effekte nach sich: Wohlbefinden, Optimismus, Motivation, Ausdauer, Gesundheit und Selbstwertgefühl profitieren durch das eigene Kontrollgefühl (Heinecke-Müller, 2022).

Folgen fatalistischer Überzeugungen

Fatalistische Überzeugungen kommen nicht in allen kulturellen und sozioökonomischen Kontexten gleich häufig vor. So wurde in einer US-amerikanischen Studie zur Krebsforschung festgestellt, dass fatalistische Überzeugungen bezüglich Krebsentwicklung nicht nur weit verbreitet sind, sondern auch Konsequenzen haben, indem sie etwa mit schlechterem Gesundheitsverhalten einhergehen (Schmidt, 2007). Die Ansichten zum unabwendbaren weiteren Lebensverlauf widerspiegeln sich in weniger krebspräventiven Massnahmen und negativeren Ansichten zum eigenen Einfluss darauf. Darüber hinaus konnte festgestellt werden, dass Fatalist*innen dazu tendieren, weniger Sport zu machen, sich weniger gesund zu ernähren und zu rauchen (Schmidt, 2007). Die Forschung zeigt allgemein eine negative Korrelation zwischen Fatalismus und der mentalen Gesundheit (Toyama & Morris, 2024). Die aktuelle Forschung beleuchtet aber die Hilflosigkeit als einen zentralen Aspekt für diesen Zusammenhang sowie den sozioökonomischen Status als Moderatorvariable. Dies zeigt sich in einer Studie, in der beobachtet werden konnte, dass ein tieferer Status mit mehr Hilflosigkeit einhergeht (Toyama & Morris, 2024). Dabei wurde der Zusammenhang zwischen Internalisierung und Depressivität nur für Menschen mit tiefem sozioökonomischem Status gefunden.

Es lässt sich festhalten, dass der Glaube an das Schicksal in der heutigen Gesellschaft immer noch eine wichtige Rolle spielt. Dies zeigt sich nicht zuletzt in der anhaltenden Popularität alter Mythen wie dem roten Faden des Schicksals oder der Figur des Amor, die in modernen Medien wie etwa dem erfolgreichen Animationsfilm «Your name.» (Shinkai, 2016) neu interpretiert oder thematisiert werden.

Zum Weiterlesen

Referenzen