Affen sind die nächsten Verwandten des Menschen und doch unterscheiden sich die Methoden der Kommunikation beträchtlich. Ob sich diese Unterschiede auch im Denken widerspiegeln, ist wegen der Sprachbarriere schwer festzustellen. Dank der Findigkeit des Menschen gibt es dennoch einige Kenntnisse dazu.
M it den frontal ausgerichteten Augen erinnert das Gesicht eines Affen unweigerlich an das eines Menschen. Auch seine Hände, mit denen er seine Familienmitglieder laust oder sich durch die Äste schwingt, ähneln stark den Händen, die über Computertastaturen huschen oder nach einem Treppengeländer greifen. Diese äußerliche Verwandtschaft legt die Vermutung nahe, dass auch kognitive Ähnlichkeiten zum Menschen vorhanden sind. Im allgemeinen Sprachgebrauch werden alle nichtmenschlichen Primaten als Affen bezeichnet, obwohl sie nur eine Untereinheit der Primaten ausmachen. Einfachheitshalber wird das auch in diesem Artikel so übernommen.
Charaktereigenschaften
Um die verschiedenen Primatenarten aufgrund ihrer Persönlichkeit zu vergleichen, wurden Fragebogen wie der Hominoid Personality Questionnaire (HPQ) (Wilson et al., 2018) entwickelt. Damit kann man den Primatenarten unterschiedliche Ausprägungen verschiedener Persönlichkeitsmerkmale zuschreiben. Beispielsweise erreichen vor allem Neuweltaffen und sozial lebende Menschenaffen hohe Werte in der Dimension Gewissenhaftigkeit (Wilson et al., 2018).
Die Kommunikationsweisen der Affen
Eine Möglichkeit, Rückschlüsse auf die Kognitionen der Affen zu ziehen, bietet ihre verbale Kommunikation. Diese unterscheidet sich maßgeblich von der menschlichen Sprache und lange Zeit gingen die Forschenden davon aus, dass es den Tieren schon aufgrund ihrer vokalen Anatomie nicht möglich sei, eine derart komplexe Sprache zu benutzen (Bergman et al., 2019). Neuere Erkenntnisse lassen darauf schließen, dass zumindest einige Primaten, darunter der Rhesusaffe und der Guinea-Pavian, einen sprechfähigen Vokaltrakt besitzen. Insgesamt bedienten sich Primaten trotzdem eines weniger breiten Spektrums an Sprachlauten als der Mensch und nutzten nur einen Bruchteil ihrer Laute, um Lautkombinationen herzustellen (Bergman et al., 2019). Ob neben dem Menschen auch andere Primaten beim Lautkombinieren Regeln anwenden, die einer Syntax ähneln, ist bisher noch nicht vollständig geklärt (Bergman et al., 2019), jedoch konnten Rhesusaffen in einem Experiment statistische Regeln für Reihenfolgen von bis zu acht visuellen Reizen lernen (Heimbauer et al., 2018). Bei Menschen wird diese Fähigkeit für die Syntax und Grammatik der Sprache verwendet und auch Schimpansen kombinierten Rufe, um sowohl über ihre Identität und als auch das Vorhandensein von Futter zu informieren (Leroux et al., 2021).
Früher galt die Vokalisation der nichtmenschlichen Primaten als angeboren und unflexibel. Dagegen spricht, dass sich bei den jungen Weißbüschelaffen wie bei menschlichen Babys eine Art Brabbeln zeigte (Gultekin & Hage, 2017). Um das erwachsene Rufverhalten zu entwickeln, brauchten sie die Kommunikation mit älteren Tieren. Die richtigen Rufe mussten zumindest teilweise gelernt werden und waren nicht komplett angeboren (Gultekin & Hage, 2017). Es gibt auch erste Hinweise darauf, dass die soziale und ökologische Umwelt einen Einfluss auf die Verwendung von Lauten haben kann (Cattaneo, 2019) und die Menschenaffen teilweise sogar dazu fähig waren, neue artuntypische Laute zu lernen (Bergman et al., 2019).
Gestik, beim Menschen ein sehr wichtiger Bestandteil der Kommunikation, wurde auch bei Affen beobachtet. Erwachsene Schimpansen und ein- bis zweijährige Kinder zeigten bei der Verwendung von absichtlichen Gesten eine Übereinstimmung von fast 90% (Kersken et al., 2019). Die jungen Schimpansen benutzten Gesten am häufigsten beim sozialen Spielen, erwachsene Schimpansen zusätzlich beim Reisen, bei der Fellpflege und bei der Brautwerbung (Kersken et al., 2019).
«After decades of research, it remains controversial whether any nonhuman species possess a theory of mind.»
Die kognitiven Fähigkeiten der Affen
Unter Theory of Mind (ToM) wird das Vermögen verstanden, mithilfe von Kenntnissen über die Absichten, Bedürfnisse und Überzeugungen eines anderen Individuums, dessen Verhalten vorherzusagen (Theory of Mind im Dorsch Lexikon der Psychologie, 2019). Eine wichtige Voraussetzung für ToM ist das Wissen, dass Lebewesen unterschiedliche mentale Repräsentationen der physikalischen Realität haben können (Theory of Mind im Dorsch Lexikon der Psychologie, 2019). Genau wie Menschen nehmen Primaten von physikalischen Objekten an, dass diese eine feste Existenz haben und sich nicht einfach in Luft auflösen (Drayton & Santos, 2018). Dieses Wissen schreiben sie auch ihren Artgenossen zu und erwarten z.B., dass diese sich an verstecktes Futter erinnern. Jedoch stoßen Primaten wohl an eine Grenze, wenn es darum geht, dass ihr Gegenüber eine falsche Vorstellung von einer Situation hat. Sieht ein Kind, wie Süßigkeiten von einer Dose in eine Schublade umgeräumt werden, kann es ab einem gewissen Alter schlussfolgern, dass sein Geschwister, das diesen Moment verschlafen hat, die Süßigkeiten trotzdem noch in der Dose suchen wird. Bei Affen dagegen ist die Befundlage nicht eindeutig. In vielen Experimenten hatten sie bei Aufgaben dieser Art Schwierigkeiten und schienen nicht vorhersagen zu können, wo eine Person in dieser Situation suchen wird (Drayton & Santos, 2018). Allerdings konnte in einem Experiment bei Schimpansen, Bonobos und Orang-Utans eine gewisse Erwartungshaltung bezüglich der Entscheidung einer Person, die eine Veränderung der Position eines Objekts nicht mitbekommen hat, festgestellt werden (Kano et al., 2019).
Auch auf kognitive Flexibilität wurden Affen untersucht. Das Vermögen, bei einer Kartensortieraufgabe die Regeln zu wechseln, entwickelten Kinder mit drei Jahren, wenn die Regeln auf der gleichen Dimension bleiben, z.B.: vom Aussortieren blauer Figuren zum Aussortieren roter Figuren. Ab fünf Jahren konnten Kinder auch bei Metaregeln switchen, also zuerst Figuren nach Farben und danach nach Formen sortieren. Affen konnten beides, auch wenn ihnen das Switchen intradimensionaler Regeln leichter fiel (Fragaszy, 2022).
Affenrechte
Das Great Ape Projekt (GAP) hat zum Ziel, den vier Menschenaffenarten Schimpanse, Bonobos, Gorilla und Orang-Utan das Recht des Lebens und der Freiheit zu verschaffen (Glendinning, 2008). Erste Erfolge wurden in Spanien erreicht, wo seit 2008 keine Versuche mehr an diesen Affenarten durchgeführt werden dürfen (Glendinning, 2008) In Argentinien wurde in einem Gerichtsprozess dem Orang-Utan-Weibchen Sandra das Recht auf bessere Lebensbedingungen zugesprochen (Espanol, 2015).
Eine mentale Fähigkeit, die zuvor abgesehen vom Menschen erst bei einem einzigen Graupapagei eindeutig festgestellt werden konnte, ist das Verstehen des Disjunktiven Syllogismus (Ferrigno et al., 2021). Wie bereits erwähnt, nehmen Primaten von realen Gegenständen an, dass diese eine feste Existenz haben und nicht einfach so verschwinden (Drayton & Santos, 2018). In einem Experiment wurden Paviane darauf getestet, ob sie schlussfolgern können, dass Futter, wenn es nicht im aufgedeckten Versteck ist, im einzigen anderen sein muss (Ferrigno et al., 2021). Drei der vier Paviane, die das Experiment durchführten, stellten sich dabei sehr gut an.
Dass, wie bei Menschen, nicht alle Affen einer Art die gleichen kognitiven Fähigkeiten haben, zeigte sich auch in einem anderen Experiment bei dem nicht alle Schimpansen einer gefangen gehaltenen Gruppe einen neuen, für die Art untypischen Laut lernen konnten (Bergman et al., 2019). Dabei besaßen diejenigen, die dazu fähig waren, einen größeren Anteil grauer Substanz in Bereichen des Frontallappens, die eine wichtige Rolle bei der willentlichen Sprachproduktion spielt (Bergman et al., 2019).
Schlussendlich lässt sich sagen, dass es noch ein weiter Weg ist, bis die kognitiven Fähigkeiten Affen vollständig erforscht sind. Ein wichtiger Bestandteil dieser Forschung wird sein, die Kommunikation und Sprache der Affen besser verstehen zu lernen.