Die Stärke von kleinen «Habits» ist schon länger bekannt, aber was steckt wirklich dahinter? Entscheide ich mich bewusst für meine Gewohnheiten und wie beeinflussen diese meinen Alltag? Ein Einblick in unsere Gewohnheitsbildung.
V on Zähneputzen, über Autofahren, bis hin zu Scrolling-Verhalten: Alles kleine Gewohnheiten, die fast schon automatisch in unserem Tagesablauf passieren. Es kostet uns kaum einen vergleichbaren Aufwand mit dem Auto zu fahren wie damals in der ersten Fahrstunde. Die kleinen, unbewussten Gewohnheiten sind es, die uns den Tag erleichtern. Würden wir uns jeden Tag neu entscheiden und überlegen, ob und wie wir die Zähne putzen oder wie wir nochmal in den zweiten Gang schalten, hätten wir einen recht aufwendigen Start in den Tag. Gewohnheiten und automatisches Verhalten unterstützen uns somit in der Bewältigung unseres Alltags. Natürlich sind nicht alle Gewohnheiten nützlich oder gesund für uns (Duhigg, 2012).
Sich bewusst werden über simple Gewohnheiten, die wir immer wiederholen, ist einer der ersten Schritte zur Veränderung dieser. Fast alle Verhaltensänderungen, die wir erreichen wollen, hängen mit unseren Gewohnheiten zusammen. Ob es hierbei um Sport, Hygienemaßnahmen oder Essverhalten geht – die kleinen Gewohnheiten können den Unterschied machen (Harris, 2020).
Heutzutage erkennen viele das Potenzial unserer kleinen Gewohnheiten. Nicht nur die Forschung, sondern auch Ratgeber und Podcasts beschäftigen sich mehr und mehr mit dem Thema. Tiny Habits von BJ Fogg, The Power of Habit von Charles Duhigg und der Bestseller Atomic Habits von James Clear sind einige Literaturbeispiele. Hier wird die Idee vermittelt, dass kleine Veränderungen zu bemerkenswerten Ergebnissen führen können. Dort werden Guides und Strategien zum Erlernen oder Ablegen von Gewohnheiten gegeben (Duhigg, 2012).
Das selbst ohne bewusstes Erinnerungsvermögen und ohne bewusste Entscheidungen neue Gewohnheiten erlernt werden können, wurde durch Eugene Pauly gezeigt.
Diese und viele weitere Erkenntnisse der Forschung rund um Gewohnheiten stammen von dieser spannenden Case Study von Larry Squire und Kollegen aus den 90er Jahren. Eugene Paulys medialer Temporallappen, welcher oft mit kognitiven Fähigkeiten wie Erinnerung an die Vergangenheit und Emotionsregulation in Verbindung gesetzt wird, wurde durch einen Virus fast gänzlich zerstört. Seine Gedächtnisfähigkeit wurde stark eingeschränkt und er konnte keine deklarativen Erinnerungen mehr bilden. Larry Squire und sein Team konnten zeigen, dass jemand, der sich nicht mal an sein eigenes Alter erinnern kann oder an auch sonst kaum etwas, trotzdem neue Gewohnheiten, die sogar recht komplex erscheinen, erlernen kann (Duhigg, 2012). Eugene machte allein Spaziergänge, die er bereits einige Male mit seiner Frau gegangen war, ohne bewusst sagen oder beschreiben zu können, wo er langgehen muss. Auf die Frage, wo er wohnt, sagte er, er wisse es leider nicht genau, lief dann aber kurze Zeit später durch seine Haustüre. Dieser spannende Fall öffnete einige Türen für die Gewohnheitsforschung (Duhigg, 2012).
Wie lange es schließlich braucht, eine neue Gewohnheit zu erlernen, ist oft sehr individuell und auch abhängig von der Gewohnheit selbst. Vor circa 10 Jahren sorgte eine Studie für Aufsehen, die den Zeitraum von 66 Tagen als ungefähres Plateau für eine neue Gewohnheit fand (Lally et al., 2010). Doch auch hier lag die Spannweite für den Zeitraum des Erlernens einer neuen Gewohnheit zwischen 18 und 254 Tagen. Verallgemeinernde Aussagen über den Zeitraum zur Gewohnheitsausbildung mit Vorsicht betrachtet werden. Es wird schon lange und auch weiterhin an den wichtigen Umständen für neue Gewohnheiten geforscht. Das Habit Lab in Amsterdam versucht zum Beispiel die Lücke zwischen der Grundlagenforschung über Gewohnheiten und der Klinischen- und Gesundheitspsychologie zu schließen (Devit, 2022).
Im Alltag gilt es erst einmal, sich den eigenen Gewohnheiten bewusst zu werden, aber auch eigene Möglichkeiten zu erkennen, Zeitfenster zu nutzen, um kleine neue Gewohnheiten zu erlernen (Duhigg, 2012).