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Warum Sport mehr als körperliche Aktivität ist
Bilder: Janice Lienhard

Sport macht nicht nur fit – er löst auch eine ganze Kettenreaktion in deinem Körper aus. Von Glücksgefühlen bis hin zur Gefahr der Abhängigkeit: Was Bewegung wirklich mit dir macht.

K örperliche Aktivität ist für viele ein fester Bestandteil des Alltags. Die einen trainieren, seit sie denken können, im Verein; die anderen gehen ab und zu joggen – und bestimmt ist für einige von euch das Superkondi im ASVZ seit Beginn des Studiums eine wöchentliche Tradition. So stimmen viele wahrscheinlich der Aussage «Sport ist gesund und hält den Körper fit» zu. Er reduziert das Risiko für kardiovaskuläre Krankheiten, Diabetes mellitus Typ 2, Bluthochdruck sowie Krebs und verbessert den Schlaf (WHO, 2024). Eine akute Bewegungssequenz kann sich zudem positiv auf deine Stimmung und Kognition – vor allem Aufgaben des präfrontalen Cortex wie Aufmerksamkeit und Arbeitsgedächtnis – auswirken (Basso & Suzuki, 2016). Doch welche Prozesse laufen dabei im Hintergrund ab?

Fangen wir mit einem alltäglichen Beispiel an: Der Kaffee ist dir heute Morgen im Rucksack ausgelaufen, das Statistik-Tutorat war frustrierend, deine Freundin hat das Mittagessen abgesagt, weil sie krank ist. Alles in allem: Deine Laune ist im Eimer und du möchtest nach so einem Halbtag nur noch nach Hause – verständlicherweise. Leider steht am Abend noch eine superwichtige Vorlesung an und eigentlich hast du dich am Nachmittag für einen Sportkurs eingeschrieben. Du überwindest dich, dort aufzutauchen und fühlst du dich danach weniger angespannt und frustriert. Körperlich bist du zwar müde, aber dein Kopf fühlt sich wieder frisch an, um aus der letzten Vorlesung des Tages das Wichtigste mitzunehmen.

Was ist passiert?

Während du im Kurs mit 20 anderen zu einem Technobeat Kicks in die Luft setzt und dich auspowerst, ist dein Körper damit beschäftigt, einen Botenstoff-Cocktail aus Dopamin, Adrenalin, Noradrenalin, Cortisol und weiteren Stoffen auszuschütten (Basso & Suzuki, 2016). Dopamin steuert dein Belohnungssystem und ist an der Verarbeitung negativer Gefühle beteiligt (Di Liegro et al., 2019). Noradrenalin und Adrenalin steigern deine Aufmerksamkeit und deinen Blutdruck und somit deine gesamte Leistungsbereitschaft. Cortisol, das körpereigene Stresshormon, spielt eine wichtige Rolle in Lernprozessen, sowie in deiner Gedächtnisbildung und dessen Ausschüttung ist abhängig von der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse (HPA-Achse). Bei regelmässiger körperlicher Aktivität findet eine Anpassung der HPA-Achse statt, welche deine Resilienz gegenüber externen Stressoren stärken kann. Das Zusammenspiel dieser Mechanismen führt schliesslich zu deiner besseren Laune und dem Gefühl, den Kopf gelüftet zu haben (Athanasiou et al., 2022; Basso & Suzuki, 2016). Neben diesen biologischen Effekten trägt Sport auch dazu bei, dein Selbstwertgefühl und deine Selbstwirksamkeit zu stärken. Das liegt unter anderem daran, dass du während der körperlichen Aktivität kleine Erfolge erlebst, die sich positiv auf dein emotionales Erleben auswirken (Wang et al., 2023).

Zwischen Hochgefühl und Zwang – Wenn Sport zur Sucht wird

Verspürst du während des Sports eine extreme «Euphorie» oder sogar eine «grenzenlose Energie» (Nogueira et al., 2018), befindest du dich in einem Zustand, der auch «Runner’s High» genannt wird. Besonders beim Ausdauersport werden nämlich auch noch folgende Stoffe in deinem Körper ausgeschüttet: endogene Opioide wie Beta-Endorphin und Endocannabinoide. Diese verstärken dein körpereigenes Belohnungssystem wobei Beta-Endorphin, zusätzlich die Schmerzverarbeitung unterstützt und somit analgetisch wirkt (Di Liegro et al., 2019).

Jedoch kann es unter anderem aufgrund dieser Stoffe zu einer Abhängigkeit von dieser «Euphorie» kommen und somit zu einer Sportabhängigkeit. «Exercise Addiction» ist keine eigene definierte Pathologie, steht jedoch in engem Zusammenhang mit psychischen Komorbiditäten wie Verhaltensabhängigkeiten oder Essstörungen. Bei Betroffenen verwandelt sich Sport von Wollen zu Müssen und sie trainieren oft ungeachtet von Verletzungen, Schmerzen und negativen Konsequenzen weiter. Sport wird entweder übermässig zur Regulierung von negativen psychischen Zuständen missbraucht oder soll zu einem bestimmten Ziel, zum Beispiel einem bestimmten Körperbild, führen (Nogueira et al., 2018).

Sport wirkt bei allen unterschiedlich

Jede*r bringt individuelle Voraussetzungen und Erfahrungen zum Sport mit – in körperlicher, psychischer und motivationaler Hinsicht. Auch die Art deines Trainings – ob Ausdauer- oder Kraftsport – spielt eine entscheidende Rolle darin, in welchem Ausmass die beschriebenen körperlichen und neurobiologischen Prozesse in dir ausgelöst werden (Athanasiou et al., 2022; Basso & Suzuki, 2016). Klar ist jedoch: Regelmässige körperliche Aktivität wirkt sich positiv auf die Ausschüttung von Neurotransmittern, die Funktion der HPA-Achse sowie deine Stimmung, Stressverarbeitung und dein allgemeines Wohlbefinden aus. Finde eine Art an Bewegung, die dir Spass macht und bei der du dich wohlfühlst – so wirken sich diese Prozesse noch positiver in dir aus.

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